Gute Lernbedingungen schaffen, statt Methoden zu diktieren

GEW Hessen zum Maßnahmenpaket des Kultusministers

Pressemitteilung 24. Juni 2021

Kultusminister Alexander Lorz stellte am 24. Juni ein Maßnahmenpaket zur Förderung der Bildungssprache Deutsch vor. Nach der Einschätzung der GEW Hessen weisen mehrere der angekündigten Maßnahmen in die falsche Richtung, sie werden den erfolgreichen Spracherwerb eher behindern, denn unterstützen. Des Weiteren bleibt das Hauptproblem, der Lehrkräftemangel insbesondere im Grundschulbereich, ungelöst.

Susanne Hoeth, Vorsitzende der Landesfachgruppe Grundschulen in der GEW Hessen, kommt zu folgender Einschätzung: „Der Maßnahmenkatalog des Kultusministers zeugt von Desinteresse an pädagogischen Fachdiskussionen und von einem grundsätzlichen Misstrauen gegenüber der Professionalität der Grundschullehrerinnen und -lehrer. Anstatt die Rahmenbedingungen an den Grundschulen zu verbessern, hagelt es jetzt rigide Verbote und konkrete Vorgaben, die einen guten Unterricht erschweren. Ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer wissen am besten, anhand von welchen Methoden sich der Schriftspracherwerb unter den konkreten Bedingungen vor Ort erfolgreich gestalten lässt. Der Minister plant anscheinend einen massiven Eingriff in die pädagogische Freiheit der Lehrkräfte, der letztendlich auf die Schülerinnen und Schüler zurückfallen wird. Die Vorgaben sind neben der Besoldung eine weitere Ohrfeige für alle Kolleginnen und Kollegen, die den Unterricht in der Grundschule stetig engagiert weiterentwickeln.“

Dem vorgestellten Maßnahmenkatalog zufolge ist – neben anderen Maßnahmen wie einer zusätzlichen Deutschstunde, die von der GEW begrüßt wird – insbesondere vorgesehen, dass ab dem Schuljahr 2022/2023 die „verbundene Handschrift“ verbindlich festgelegt wird. Bereits im neuen Schuljahr soll zudem ab dem 2. Halbjahr der 1. Jahrgangsstufe eine „pädagogisch motivierte Fehlerkorrektur“ eingeführt werden. Damit sei die Methode „Lesen durch Schreiben“ ausdrücklich nicht mehr zulässig.

Birgit Koch, Vorsitzende der GEW Hessen, erinnert aus diesem Anlass daran, dass der beste Unterricht nachweislich von ausgebildeten Lehrkräften erteilt wird: „Anstelle den Lehrkräften ins Handwerk zu pfuschen, sollte das Land lieber sicherstellen, dass alle Stellen an den Grundschulen auch mit ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern besetzt werden können. Indem Hessen den Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen weiterhin eine Angleichung der Besoldung verweigert, gerät es auf dem bundesweiten Lehrkräftearbeitsmarkt zunehmend ins Hintertreffen. Inzwischen kann jede achte Stelle an einer hessischen Grundschule nicht mehr mit einer ausgebildeten Lehrkraft besetzt werden. Außerdem sollte die Landesregierung die anstehende Novellierung des Lehrerbildungsgesetzes nutzen, um die Studiendauer für das Grundschullehramt von bislang nur sechs Semestern zu erhöhen. Dann könnte bereits in der universitären Ausbildung unter anderem das Thema Mehrsprachigkeit deutlich mehr Gewicht erhalten.“

Zum Hintergrund: Den Angaben einer kleinen parlamentarischen Anfrage zufolge unterrichteten an den hessischen Schulen zum Stichtag 1. Oktober 2020 insgesamt 5.603 Lehrkräfte, die keine (volle) Lehramtsausbildung mit dem zweiten Staatsexamen abgeschlossen haben. An den Grundschulen fanden sich 1.864 Lehrkräfte ohne zweites Staatsexamen. Angesichts einer Gesamtzahl von 15.460 entspricht dies einem Anteil von 12,1 Prozent (Drucksache 20/5350).#

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