100 Jahre Grundschule

Wir gratulieren und sagen: Danke!

Frankfurt, 03.09.2019

Wir bedanken uns bei allen Grundschulkolleginnen und -kollegen, die mit ihrer engagierten Arbeit den Kindern mit viel Einfühlungsvermögen den Zugang zu schulischer Bildung öffnen. Die die Kinder mit ihren unterschiedlichsten Biografien annehmen. Die immer wieder dafür Sorge tragen, dass sie miteinander arbeiten, sich zuhören, andere ausreden, Gemeinsamkeit erleben lassen.

Grundschullehrerinnen und -lehrer lassen die Kinder immer wieder erleben, dass Zusammenarbeit allen mehr bringt. Lassen sie erleben, dass es für alle besser ist, Konflikte konstruktiv zu bearbeiten. Damit  unterstützen sie nicht nur jedes einzelne Kind. Sie leisten gleichzeitig auch einen nicht zu überschätzenden Beitrag für eine demokratische Gesellschaft des Miteinanders und gegen die Unkultur der Ausgrenzung.

Der Arbeit der Grundschulkolleginnen und -kollegen ist es zu verdanken, wenn die Grundschule nach wie vor die unumstrittenste Schulform ist und dass man 100 Jahre Grundschule mit Fug und Recht in diesem Sinne als Erfolgsgeschichte bezeichnen kann. So ist die gesellschaftliche Wertschätzung des Berufs, der in entsprechenden Umfragen immer wieder ganz oben rangiert, nur folgerichtig.

Dennoch muss man konstatieren: 100 Jahre Grundschule bedeuten auch 100 Jahre Auseinandersetzung und Einsatz der fortschrittlichen sozialen Kräfte für eine angemessene politische Anerkennung der dort geleisteten Arbeit und des gemeinsamen Lernens.

Der in Artikel 146 der Weimarer Verfassung festgeschriebene Kompromiss: „Auf einer für alle gemeinsamen Schule baut sich das mittlere und höhere Schulwesen auf“, hat noch lange nicht zu einer gleichberechtigten Anerkennung der Grundschule geführt und seine umfassende Verwirklichung stößt immer wieder auf entschiedenen Widerstand bildungsprivilegierter Kreise. So wurde bereits ein Jahr nach In-Kraft-Treten der Verfassung die Zeit der „gemeinsamen Schule“ auf nur vier Jahre festgelegt. Die Grundschule wurde Teil des „niederen Schulwesens“  Hauptschule und damit beauftragt, die Kinder im Alter von 10 Jahren in verschiedene Schulformen zu sortieren.
Einerseits scheiterte – abgesehen von der Zeit in der DDR – immer wieder der Versuch, mehr Jahre für ein „gemeinsames Lernen aller“  zu erreichen und  so auch die Grundschulen von der Last der viel zu frühen Auswahl-
entscheidungen zu befreien. Andererseits ist die Befreiung vom Stigma der „niederen Arbeit“ ein zäher politischer Prozess, der weiterhin viel Kraft und Ausdauer erfordert.

So dauerte es rund ein halbes Jahrhundert, bis es einen Lehrstuhl für Grundschulpädagogik gab, die Lehrkräfteausbildung zumindest in einigen Ländern an den Universitäten stattfand und Grundschulen zu einer  eigenständigen Schulform wurden. Dennoch kann bis heute von einer gleichwertigen Anerkennung keine Rede sein. Der hessische Versuch in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts im Zuge der Weiterentwicklung des gemeinsamen Lernens auch eine Angleichung der Gehaltsstruktur nach A 13 zu erreichen, scheiterte bereits damals insbesondere am Widerstand standesdünkelhafter Lehrkräfte im Umfeld von Lehrerverbänden im Beamtenbund. Bis heute kommt u. a. aus diesen Kreisen entschiedene Gegenwehr zur Gleichstellung aller Lehrkräfte in Hessen.

Nicht zuletzt der Verweigerung einer angemessenen finanziellen Wertschätzung der großen Leistungen der Grundschullehrkräfte – aber auch der nach wie vor unzureichenden Arbeitsbedingungen für deren differenzierte Arbeit in heterogenen Gruppen –  ist es geschuldet, wenn heute an allen Ecken und Enden der Nachwuchs für diesen an sich erstrebenswerten Beruf fehlt.

Als GEW Hessen sagen wir deshalb auch hier noch einmal mit aller Deutlichkeit: Wir werden auch weiterhin mit den Grundschulkolleginnen und -kollegen dafür streiten, dass Grundschularbeit als gleichwertig  anerkannt und weitaus besser ausgestattet wird.

Auf den Anfang kommt es an und ohne die gute – in die schulische Bildung einführende Arbeit in den Grundschulen – könnte die Arbeit in den ja schon als „weiterführend“ bezeichneten Schulen gar nicht stattfinden!

Eure Arbeitsgruppe „A13 für alle!“  in der GEW Hessen 

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