Anforderungen an den Digitalpakt

Mehr als Anschaffung von Hardware in Schulen

Positionspapier „Für gute digitale Bildung in Hessen!"

Pressekonferenz in Wiesbaden am 28. Mai 2019

Foto v.l.: Mario Michel (Schulleiter und Vorstand Grundschulverband), Korhan Ekinci (Vorsitzender Landeselternbeirat Hessen), Birgit Koch (Vorsitzende GEW Hessen), Reiner Pilz (stellv. Vorsitzender elternbund hessen)

Der erfolgreiche Einsatz digitaler Medien in der Schule erfordert mehr als die Anschaffung von Hardware!

Landesgruppe Hessen im Grundschulverband, Landesschülervertretung Hessen, Landeselternbeirat von Hessen, elternbund hessen sowie GEW Hessen haben heute ihre Anforderungen an die Umsetzung des Digitalpakts  vorgestellt. Dazu haben sie ein Positionspapier mit dem Titel „Für gute digitale Bildung in Hessen!“ vorgestellt. Nach Angaben des Kultusministeriums kann das Bundesland in jedem Jahr der fünfjährigen Laufzeit von 2019 bis 2024 mit Mitteln in der Höhe von 74 Millionen Euro rechnen. Kultusminister Prof. Dr. Alexander Lorz hat angekündigt, dass noch im Frühjahr das Konzept zur Umsetzung des Digitalpakts vorgestellt werden soll.

Aus Sicht der Schülerinnen und Schüler ist die aktuelle Ausstattung der Schulen mit digitalen Medien sowie mit schnellen Internetverbindungen alles andere als zufriedenstellend. Johannes Strehler, der als Landesschulsprecher die Interessen der rund 800.000 Schülerinnen und Schüler in Hessen vertritt, äußerte sich dazu wie folgt: „In vielen hessischen Schulen finden wir – wenn überhaupt – PC-Räume, die im vergangenen Jahrtausend ausgestattet wurden. Hard- und Software ist zumeist heillos veraltet. Gerade in ländlichen Regionen ist oft kein schnelles Breitband-Internet verfügbar und auch die Ausstattung mit einem leistungsfähigen W-LAN ist an unseren Schulen die Ausnahme. Es muss sich also dringend etwas tun!“

Korhan Ekinci, Vorsitzender des Landeselternbeirats von Hessen, betonte, dass es gleichwohl mit der Anschaffung von neuen Endgeräten nicht getan ist. Er wies darauf hin, dass auch ein verlässlicher professioneller Support bereitgestellt werden muss: „Werden Hard- und Software nicht regelmäßig gewartet und aktualisiert, so ist deren Nutzen für die Schülerinnen und Schüler gering. Für Schulen ist, wie bei jedem Unternehmen auch, eine professionelle Administration durch entsprechend ausgebildetes Fachpersonal unbedingt erforderlich. Daher müssen die Kommunen als Schulträger technisch ausgebildetes Fachpersonal einstellen, das sich dauerhaft um die IT-Ausstattung der Schulen kümmert.“

Auf den Bedarf an attraktiven Fortbildungsangeboten für Lehrerinnen und Lehrer verwies Birgit Koch als Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW Hessen. „Die einst sehr guten Angebote zur Lehrerfortbildung wurden leider in den vergangenen Jahren in vielen Teilen abgewickelt, so dass diese inzwischen ein Schattendasein fristet. Wie bei anderen Themenbereichen auch, mangelt es hinsichtlich der Medienbildung an attraktiven und nachhaltigen Fortbildungsangeboten und an ausreichenden Zeitressourcen für die Lehrerinnen und Lehrer. Beides ist aber erforderlich, damit sich Lehrkräfte die vorhandenen Möglichkeiten zum sinnvollen und gewinnbringenden Einsatz digitaler Medien im Unterricht aneignen können.“, so Birgit Koch.

Mario Michel, der als Schulleiter einer Grundschule dem Vorstand der Landesgruppe Hessen im Grundschulverband angehört, betonte das „Primat der Pädagogik“. Dieses wird auch von der Kultusministerkonferenz in ihrer Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ vertreten: „Bei all der Notwendigkeit und dem Hype um die Digitalisierung dürfen wir nicht unsere traditionellen Medien und Methoden vergessen. Digitale Medien werden nicht die Lehrkräfte und deren Beziehung zu den Kindern ersetzen, ebenso wenig Stift, Papier und die Entwicklung der Feinmotorik. Sie erweitern das Methodenrepertoire einer Lehrkraft, um Kinder bestmöglich zu fördern und zu fordern.“ Beim richtigen Einsatz böten digitale Medien in Kombination mit traditionellen Medien jedoch vielfältige Möglichkeiten: „Digitale Medien ermöglichen die Etablierung von neuen Lernkulturen. Denn ihre Nutzung öffnet den Kindern neue Interessenbereiche und Entfaltungsmöglichkeiten aus ihrer Lebenswirklichkeit.“

Trotz aller bestehenden Chancen der Anwendung digitaler Medien gibt es auch nicht von der Hand zu weisende Risiken. So machte Reiner Pilz als stellvertretender Vorsitzender des elternbund hessen auf Probleme mit Cyber-Mobbing aufmerksam: „Cyber-Mobbing ist fast an jeder Schule ein Thema. Maßnahmen des Kultusministeriums dagegen zeigen bislang keine hinreichende Wirkung. Durch die zunehmende Digitalisierung der Schulen ist auch mit einer quantitativen Steigerung des Phänomens zu rechnen. Die Schule muss als Bestandteil ihres Bildungsauftrags die Schülerinnen und Schüler auch für bestehende Gefahren der Digitalisierung sensibilisieren und zu einem verantwortungsbewussten Umgang beispielsweise mit den sozialen Netzwerken hinführen. Auch für dieses Themenfeld bedarf es dringend passgenauer Fortbildungsangebote für die Lehrerinnen und Lehrer."

Johannes Strehler, Korhan Ekinci, Birgit Koch, Mario Michel und Reiner Pilz forderten das Kultusministerium, die Schulverwaltung sowie die Kommunen als Schulträger dazu auf, bei der Umsetzung des Digitalpakts die vorgelegten Anforderungen zu berücksichtigen. Das Positionspapier geht auf einen mehrmonatigen Diskussionsprozess zwischen Eltern, Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften zurück. Darin werden auch der Datenschutz sowie die Rolle der Privatwirtschaft thematisiert: „IT-Konzerne sind hinsichtlich der Digitalisierung der Schulbildung nicht mehr als Dienstleister für die öffentliche Hand. Ihnen darf in diesem Zusammenhang keinerlei Gelegenheit zur Einflussnahme auf die Bildungsinhalte oder zur exklusiven Bewerbung ihrer Produkte eingeräumt werden.“

Dem Kultusministerium zufolge kann Hessen in der fünfjährigen Laufzeit des Digitalpakts mit insgesamt 372 Millionen Euro rechnen. Angesichts von rund 180.000 Schülerinnen und Schülern an berufsbildenden Schulen und 629.000 Schülerinnen und Schülern an allgemeinbildenden Schulen belaufen sich die Mittel rechnerisch auf nicht mehr als 92 Euro pro Kopf und Jahr. Die Beteiligten halten diese Mittel nicht für ausreichend, um die Schulen hinlänglich im Sinne des vorgelegten Positionspapiers auszustatten. Darüber hinaus dürfe nicht zuletzt angesichts des vielerorts katastrophal schlechten baulichen Zustands der Schulgebäude keinesfalls an anderer Stelle gespart werden.

Für gute digitale Bildung in Hessen! Positionspapier von elternbund hessen, Grundschulverband – Landesgruppe Hessen, Landesschülervertretung, Landeselternbeirat und GEW Hessen