Anschluss halten!

Die Tarifrunde 2017 in den Bundesländern beginnt

Die Tarifrunde für die Beschäftigten der Bundesländer wirft ihre Schatten voraus. Sie wird in Hessen und im Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), der alle Bundesländer außer Hessen angehören, in den ersten Wochen nach den Weihnachtsferien über die Bühne gehen.

Die 15 Bundesländer, die der TdL angehören, verhandeln mit den Gewerkschaften über den Tarifvertrag der Länder (TV-L). Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) ist der Verhandlungspartner der Gewerkschaften über den Tarifvertrag Hessen (TV-H). Mitte November hatte die bundesweite Tarifkommission der GEW die Mitgliederdiskussion zu den tariflichen Forderungen eröffnet. Mitte Dezember werden GEW und ver.di über das beschließen, was man der Arbeitgeberseite als Forderungskatalog präsentieren wird.

Welche Themen für die hessischen Beschäftigten wichtig sind, darüber entscheiden kurz nach Erscheinen der Dezember-HLZ die landesweiten Tarifkommissionen der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes. In Hessen werden wir sehr genau betrachten, was sich in den anderen Bundesländern tut, denn in allen wichtigen Punkten, vor allem bei der Einkommensentwicklung, ist schon aus strategischen Gründen ein inhaltlicher Gleichklang beim Verhandlungsauftakt mit Innenminister Beuth geboten. In der Vergangenheit konnten wir verhindern, dass sich TV-L und TV-H auseinander entwickeln. Und daran soll sich auch künftig tunlichst wenig ändern, zumal wir an unserer Forderung nach einer Rückkehr Hessens in die TdL festhalten.

Rückstand wettmachen

Hauptthema der Ländertarifrunde ist die Einkommensentwicklung, also die Frage, um wieviel Prozentpunkte die Entgelte steigen werden. Orientierung geben hier vor allem die Tabellen, die für die Kommunalbeschäftigten gelten. Die kommunalen Verdienste wachsen zum 1. 2. 2017 nochmals um 2,35 Prozent. Insgesamt beträgt dann die Tabellenentgeltlücke zwischen Ländern (TV-L und TV-H) und Kommunen etwa 3,8 Prozentpunkte. In den Bundesländern muss also ein spürbarer Rückstand wettgemacht werden. Aber auch in anderen Teilen der Wirtschaft konnten in diesem Jahr bereits merkliche Realeinkommenszuwächse tarifvertraglich durchgesetzt werden. In einem der größten Bereiche, dem Metall- und Elektrosektor mit 3,5 Millionen Beschäftigten, einigten sich die Tarifvertragsparteien auf einen Zuwachs von insgesamt 4,8 Prozent für 2016 und 2017. Es kommt in der Tarifrunde 2017 also darauf an, dass die Länderbeschäftigten bei der Gehaltsentwicklung nicht an Boden verlieren.

Die Arbeitgeberseite dürfte in der Tarifauseinandersetzung insbesondere auf die relativ niedrige Inflationsrate und reflexhaft auf die Begriffe Haushaltskonsolidierung und Schuldenbremse verweisen. Die statistisch zurzeit geringen Preissteigerungen können für uns allerdings kein Maßstab sein, denn bei Gehaltsrunden geht es auch immer darum, vom aufgrund von Produktivitätsfortschritten wachsenden Volkseinkommen einen angemessenen Anteil zu erhalten. Und darum, Realeinkommensverluste aus der Vergangenheit zu kompensieren.

Günstige Haushaltslage

Die Haushaltssituation der Länder ist zudem als überwiegend günstig zu bewerten. Schauen wir uns zum Beispiel Hessen an. Laut dem im September vorgelegten Finanzplan für die Jahre 2016 bis 2020 erhöhen sich die hessischen Steuereinnahmen nach Abzug des Länderfinanzausgleiches um 6,8 Prozent im Jahr 2017 und um weitere 4,6 Prozent im Jahr 2018. Das sind allein im Jahr 2017 1,25 Milliarden Euro mehr! Zum Vergleich: Die Nullrunde bei den Beamtinnen und Beamten und die diesjährige 1-Prozent-Deckelung bezifferte der hessische Finanzminister mit einer materiellen Wirkung von 240 Millionen Euro im Jahr 2017. Auch bei einer Kennziffer, die von der hessischen Landesregierung gern gegen die Ambitionen der Gewerkschaften ins Feld geführt wurde, hat sich Bemerkenswertes getan, nämlich bei der so genannten „Personalausgabenquote“, also bei dem Anteil der Personalausgaben an den gesamten Ausgaben. Die fällt von etwa 40 Prozent in den Jahren 2014/2015 auf 36,8 Prozent im Jahr 2017 (Plansoll). In diesem gewaltigen Schritt bildet sich deutlich die schwarz-grüne Besoldungspolitik ab, aber auch wachsende sonstige Ausgaben spielen eine Rolle.

Ein Wort zur „Schuldenbreme“

Noch ein Wort zur so genannten Schuldenbremse, die als Argument gegen gewerkschaftliche Positionen immer wieder herhalten muss, die aber zunehmend ausgedient haben dürfte. Denn der Abbaupfad bei der Nettokreditaufnahme, auf den sich die schwarz-grüne Finanzpolitik verständigt hat, ist nach den eigenen Angaben des Finanzministeriums deutlich restriktiver, als es aufgrund der Gesetzeslage eigentlich sein müsste. 2017 liegt diese vom Finanzministerium als „Sicherheitsabstand“ bezeichnete Differenz bei 240 Millionen Euro, 2018 bei 360 Millionen. Auch hier ist also Luft nach oben für deutliche Tarif- und Besoldungssteigerungen. Unabhängig davon ist das Land Hessen nach wie vor aufgefordert, Beiträge zu einer deutlichen und notwendigen Verbesserung der Einnahmeseite bei den Ländern zu leisten.

In der Regel geht es in den Tarifverhandlungen nicht nur um die Entgeltentwicklung. In Hessen werden die Gewerkschaften voraussichtlich erneut die Befristungsproblematik im öffentlichen Dienst auf die Agenda setzen. Die Regelung, die wir in der letzten Tarifrunde 2015 für den hessischen Schulbereich erzielen konnten, kann nur als ein erster Schritt bewertet werden. Aber „immerhin“, denn 2015 wollten sich weder die Arbeitgeber in der TdL noch in den Kommunen auf irgendeine Regelung gegen die ausufernde Befristungspraxis einlassen.
Diskussionen gibt es innerhalb der Gewerkschaften auch über die Einfügung einer Stufe 6 für die Entgeltgruppen 9 bis 15 in der Tabelle, über Nachsteuerungen bei den Eingruppierungsregelungen und die stufengleiche Höhergruppierung.

Der Zeitplan steht

Die Tarifkommissionen der GEW Hessen für die Verhandlungen mit dem Land Hessen, der TU Darmstadt und der Goethe-Universität treffen sich am Nikolaustag in Wiesbaden, um über die Forderungen zu beraten. An diesem Tag sind auch Beamtinnen und Beamte aus den Personalräten dabei. Daher bietet sich die Möglichkeit, gemeinsam über Gehaltsforderungen zu debattieren und darüber, wie Beamtinnen und Beamte die Kolleginnen und Kollegen in der Tarifauseinandersetzung unterstützen können. Das gilt freilich auch umgekehrt: Denn die aktiven Beamtinnen und Beamten und die in Pension sind seit der Tarif- und Besoldungsrunde 2015 gezwungen, einen eigenen Kampf um die Übertragung der Tarifergebnisse aus den letzten Jahren zu führen.
Der vorläufig letzte Verhandlungstermin mit der TdL ist für den 16. und 17. Februar in Potsdam vorgesehen. Erfahrungsgemäß ist es nicht ausgeschlossen, dass es in den beiden Wochen davor zu Aktionen und Arbeitskampfmaßnahmen in den Bundesländern und auch in Hessen kommt. Unter dem Eindruck eines möglichen Verhandlungsergebnisses in der brandenburgischen Hauptstadt streiten dann Gewerkschaften und Land Hessen am 2. und 3. März 2017 in Dietzenbach bei Frankfurt über eine Einigung in der Tarifauseinandersetzung.

Die Eröffnung der hessischen Tarifrunde findet rund fünf Wochen vorher statt, sie ist für den 27. Januar 2017 in Wiesbaden anberaumt. Wie in den vergangenen Jahren sind auch die tarifrechtlich unabhängigen Universitäten Darmstadt und Frankfurt in die Tarifauseinandersetzung einbezogen.

Rüdiger Bröhling, Referent der GEW Hessen für Tarif und Besoldung


 

1,1 Milliarden mehr in Hessens Kassen

Am 15.11. konnte Finanzminister Thomas Schäfer eine frohe Botschaft verkünden: Hessen kann 2016 voraussichtlich 1,1 Miliarden Euro mehr Steuern einnehmen als geplant. Das erbrachte die Regionalisierung der bundesweiten November-Steuerschätzung. Die Steuereinnahmen steigen demnach 2016 um 9,4 % gegenüber dem Vorjahr. Zum Vergleich: Die für 2016 geplante Nettokreditaufnahme, die erst 2020 laut Verfassung auf Null abgesenkt werden muss, beträgt 638 Millionen Euro. Eine Erhöhung der Entgelte um 3 Prozent würde einschließlich der Beamtinnen und Beamten und der Versorgungsbezüge rund 255 Millionen Euro pro Jahr kosten. Die Tarifrunde ist dadurch noch lang nicht gewonnen, aber das „Leere-Kassen-Argument“ zieht nicht mehr. Der DGB Hessen-Thüringen forderte deshalb auch rückwirkend eine „Eins-zu-Eins-Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamten.“