Befristungspraxis an hessischen Hochschulen

Land Hessen verweigert sich substanzieller Regelung zur Eindämmung

Pressemitteilung des Landesverbands 25. Oktober 2018

 Gespräche zwischen Gewerkschaften und Land Hessen abgebrochen

Bei den im Rahmen der Tarifrunde 2017 mit dem Land Hessen vereinbarten Gesprächen mit den Gewerkschaften zur Befristungspraxis im Hochschulbereich verweigerte der Arbeitgeber bei einem Treffen am 10. Oktober 2018 die Vereinbarung einer die Zahl der Befristungen eindämmenden Quotenlösung. Die Gremien der GEW haben nun den Gesprächsstand bewertet und die Entscheidung der Verhandlungsdelegation bestätigt, die Gespräche zur Befristungspraxis an Hochschulen angesichts dieser Blockadehaltung des Landes nicht fortzuführen.

Seit der Tarifrunde 2013 mit dem Land Hessen haben die Gewerk­schaften GEW und ver.di immer wieder die umfängliche Zahl der Befristungen an den Hochschulen des Landes zum Thema der Tarifverhandlungen gemacht. Dabei geht es vor allem um Stellen, die Tätigkeiten betreffen, mit denen Daueraufgaben abgedeckt werden.

In der letzten Sitzung der Arbeitsgruppe am 10. Oktober 2018 in Wiesbaden lehnte die Arbeitgeberseite die Forderung der Gewerkschaften nach beschäftigtenspezifischen Quotenregelungen bei Befristungen kategorisch ab - ohne selber auch nur einen einzigen alternativen Vorschlag zu machen. Die Gewerkschaften erklärten daher, dass auf dieser Grundlage eine Fortsetzung der Tarifgespräche nicht mehr sinnvoll sei. Die Co-Leiterin des Referates Hochschule und Forschung der GEW Hessen, Dr. Simone Claar, erklärte heute dazu:  „Wir sind mit relativ moderaten Forderungen in die Debatte gegangen; so sollte etwa nach unserer Vorstellung die derzeitige Befristungsquote im Bereich der Wissenschaftlichen und Künstlerischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von durchschnittlich 87,4 Prozent (ohne Drittmittelsektor) über mehrere Jahre auf 75 Prozent  reduziert werden. Das Land lehnte eine solche Regelung strikt ab, ohne auch nur einen einzigen alternativen Vorschlag etwa hinsichtlich der anzustrebenden Quote oder des Realisierungszeitraumes zu machen.“  Der Arbeitgeber wolle offenbar mit den Gewerkschaften keine Regelungen zur Befristungspraxis im Hochschulsektor treffen. Vielmehr solle,  so Claar weiter, die volle Flexibilität für die Arbeitgeber erhalten bleiben, ohne die Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen an gesicherten Berufsperspektiven auch nur im Ansatz berücksichtigen zu müssen. Das Verhalten des Arbeitgebers habe sich in den im Rahmen von hessischen Tarifrunden immer wieder geführten Gesprächen seit 2013 nicht verändert. Einer Lösung zur Entschärfung des Problems seien Gewerkschaften und Innen- bzw. Wissenschaftsministerium andererseits seit Beginn der Gespräche keinen Schritt näher gekommen. Jetzt müsse sich zunächst einmal die Landespolitik der skandalösen Befristungspraxis annehmen. Die neue Landesregierung dürfe sich hiervor nicht drücken. Die wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an den Hochschulen erwarteten, dass der hessische Wissenschaftsbetrieb ihnen mehr zu bieten habe als nur prekäre Beschäftigungsverhältnisse, so Claar.

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Die fehlende Kontinuität bei der Erledigung von Daueraufgaben an den Hochschulen wirkt sich nicht nur negativ auf die Qualität der Arbeit aus. Sie demotiviert auch die Beschäftigten, die immer wieder um eine Fortsetzung ihrer Verträge bangen müssen und keine gesicherte Lebensplanung entwickeln können.

In Hinblick auf eine Eindämmung der umfänglichen Befristungspraxis ist durchaus  Spielraum vorhanden. Das zeigen die Unterschiede zwischen den einzelnen Hochschulen in Hessen. Während etwa die Uni Marburg für den Bereich der wissenschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Dezember 2017 eine Befristungsquote von etwas über 82 % aufweist, sind es an den Universitäten Kassel und Gießen über 91 % (jeweils ohne Drittmittelbereiche). Die Personalgruppe der „Lehrkräfte für besondere Aufgaben“ ist an den Hochschulen, für die der TV-Hessen gilt, zu 45,8 Prozent befristet, an der Universität Marburg ist dieser Anteil mit rund 25,5 Prozent jedoch deutlich niedriger.

Eine Untersuchung des Personalrates an der Universität Kassel machte jüngst deutlich, dass die Hochschule offenbar nicht gewillt ist, freiwillig die Zahl befristeter Beschäftigungsverhältnisse zu reduzieren. Im Gegenteil.  Die Untersuchung aller Neueinstellungen (inkl. des Drittmittelbereichs) im Jahr 2017 ergab, dass von 428 Neueinstellungen von wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen 426 befristet erfolgten. Für 701 Beschäftigte dieser Personalgrupp wurden Folgeverträge abgeschlossen, davon wiederum 698 befristet. Selbst von 125 Neueinstellungen im administrativ-technischen Bereich erfolgten 96 befristet. Von insgesamt 106 Folgeverträgen waren wiederum 87 weiterhin befristet.