Rede am 20.3.2021
"Wir kritisieren die Corona-Maßnahmen als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, nicht als Rechtspopulisten"
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,
ich bin Lehrer an einer Gesamtschule und kämpfe jeden Tag in der ersten Reihe, wenn es um die Auswirkungen der Corona-Pandemie geht. Das ist auch etwas, was die selbsternannten Querdenker:innen aus ihrer Sicht tun, wobei manche die Pandemie ja auch komplett leugnen. Es ist jedoch noch gar nicht so lange her, da haben diese Menschen dort drüben und ihre Brüder und Schwestern im Geiste auch vor Schulen protestiert. Sie wollten Schülerinnen und Schüler dazu bringen, ihre Maske abzuziehen, sind ihnen nahegekommen und haben sie bedrängt. Sie nennen es Aufklärung. Wir sagen: Das war nicht nur eine beschämende Aktion, das war auch noch gefährlich, und wir stehen dagegen.
Ich merke im Berufsalltag: Schülerinnen und Schüler verstehen sehr wohl die Notwendigkeit der Maske. Auch wenn sie nicht besonders begeistert sind, haben sie ein Interesse daran, ihre Großeltern oder wen auch immer nicht anstecken zu wollen. Auch die Jüngsten sind in der Lage, solidarisch miteinander umzugehen und aufeinander zu achten. All das sehen die selbsternannten Querdenker:innen nicht. Sie instrumentalisieren Kinder. Sie nehmen diese mit in die erste Reihe von Demos, damit entsprechende Bilder entstehen. Das ist nur beschämend.
Querdenken sagt, es gäbe eine Zensur, man dürfe die Corona-Maßnahmen nicht kritisieren. Das Gegenteil ist der Fall: Auch wir kritisieren die Maßnahmen, als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter jedoch völlig entgegengesetzt zu den Nazis, Rechtspopulist:innen und den anderen, die bei Querdenken unterwegs sind. Wir kritisieren die Maßnahmen aus fortschrittlicher Sicht, denn: Wir empfinden uns an vielen Stellen nicht geschützt und wollen weitergehende Maßnahmen. Das betrifft zum Beispiel die Bereiche regelmäßige Testung, die Impfungen, das Hin und Her bei den Schließungen und Wiedereröffnungen, und so weiter.
Für uns ist klar: Wir Lehrkräfte, wir wollen unterrichten, natürlich auch in Präsenz, aber wir wollen vor allem erstmal sicher unterrichten. Unsere Gesundheit, genauso wie die unserer Schülerinnen und Schüler, muss an oberster Stelle stehen. Querdenken greift mit Forderung nach Aufhebung der Maßnahmen, man muss es so deutlich sagen, unsere Gesundheit und Unversehrtheit an.
Wenn ich sage, die Gesundheit aller im Bildungssystem muss an oberster Stelle stehen, dann meine ich ausdrücklich auch die psychische Gesundheit. Eine solche lange und intensive Ausnahmesituation wie die jetzige lässt niemanden kalt. Wir sehen momentan, wie uns reihenweise Schülerinnen und Schüler wegbrechen, weil sie mit der Situation überfordert sind. Wir brauchen dringend, unmittelbar den Ausbau der Schulsozialarbeit und der sozialpädagogischen Unterstützung, um mehr Betreuung und Beziehungsarbeit zu ermöglichen. Corona zeigt die Probleme im Brennglas: Jetzt rächt sich die kapitalistische Sparpolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte durch Land, Bund und Kommunen. Schulen sind unterversorgt, was pädagogisches und administratives Personal angeht, was Ressourcen angeht, was technische Ausstattung angeht. Wir sehen die Landesregierung und die Schulträger in der Pflicht, dort mehr als nur eine Schippe drauf zu legen.
Schulen bleiben momentan auch deshalb geöffnet, weil parallel Großbetriebe und Fabrikhallen geöffnet bleiben. Schüler:innen werden betreut für die Sicherstellung der Lohnarbeit der Eltern. Ein erster Schritt zur Pandemiebekämpfung wäre aus meiner Sicht die Pausierung der Arbeit und Betriebe, die nicht versorgungsrelevant sind, natürlich bei voller Lohnfortzahlung der Kolleginnen und Kollegen.
Häufig wird im Bildungsbereich, gerade momentan, über unseren Kopf hinweg entschieden. Als GEW kämpfen wir für eine demokratische Schule. Ich bin überzeugt, dass gemeinsame, demokratische Entscheidungen von Lehrkräften, von Schülerinnen und Schülern, von Eltern, von Schulleitungen und so weiter gut planen und diskutieren könnten, wie man die Schulen sicher gestalten kann, wann und vor allem wie man Schulen sicher öffnen kann und wie ein sicherer Unterricht gestaltet werden kann. Wir sind tagtäglich vor Ort und können gemeinsame Konzepte erarbeiten, die allen Beteiligten zugutekommen. So kann sowohl sichere als auch gute Bildung für alle ermöglicht werden.
Bei den Coronaleugner:innen spielen solche Überlegungen hingegen keine Rolle. Sie haben weder an Bildung noch an Gesundheit ein echtes Interesse. Deshalb haben sie nichts in unseren Schulen verloren. Sie haben nichts vor unseren Schulen zu suchen, und auch nicht in den Diskussionen über unser Bildungssystem. Sie sind kein Teil der gesellschaftlichen Debatte, weil sie sich selbst in Aus gestellt haben. Deshalb stellen wir uns heute und hier gegen sie – um ein deutliches Zeichen zu setzen und sie ihre falschen und gefährlichen Parolen nicht verbreiten zu lassen. Danke für eure Aufmerksamkeit!
David Redelberger, Vertreter der Jungen GEW, Mitglied im KV Kassel Land