DGB Nordhessen | Pressekonferenz

Kinderbetreuung und Schulunterricht in Hessen

Aktueller Stand und Ausblick aus der Perspektive von Eltern, Beschäftigten und Kindern/ Jugendlichen – Anforderungen an die Kommunal- und Landespolitik

Die Schließung von Schulen und Kitas hat Eltern hart getroffen. Sie schultern mit Kinderbetreuung, Home-Schooling neben Erwerbsarbeit oder Studium Erhebliches; seit vielen Wochen. Nun öffnen Bildungseinrichtungen wieder zunehmend, aber längst nicht vollständig. Was Eltern bleibt ist Koordinationsaufwand. Wann Betreuung und Unterricht wieder vollständig (inkl. aller Randzeiten) gewährleistet sind, ist gegenwärtig offen.

Arbeitgeber reagieren darauf sehr unterschiedlich. Großzügige Home-Office-Regelungen oder flexibler Tausch von Diensten und Schichten sind ebenso vertreten wie restriktive Positionen. Beschäftigte mit guten Tarifverträgen haben hier erhebliche Vorteile.

Beschäftigte in Kitas und Schulen, ihre Leitungen und Träger leisten enorm viel, um Konzepte kurzfristig an die beständig wechselnden Anforderungen anzupassen. Sie kritisieren, dass sie dabei nicht mit- und ernstgenommen werden. Der Arbeits- und Gesundheitsschutz für Beschäftigte in Kita und Schule scheint de facto aufgehoben – sowohl mit Blick auf eine Infektionsgefahr als auch die Arbeitsbelastung. Die vollständige Öffnung von Kitas und Schulen ohne grundsätzliche Änderung pädagogischer und organisatorischer Konzepte ist ein Experiment mit erheblichen gesundheitlichen Risiken für Kinder und Jugendliche (und deren Angehörigen) und die Beschäftigten dort.

Eltern, Beschäftigte und Schüler*innen vermissen eine verlässliche Perspektive für das nächste Schul- bzw. Kitajahr sowie durchdachte, umsetz- und vermittelbare Hygienekonzepte. Die Landesregierung ist aufgefordert, in längerfristigen Szenarien zu denken und nicht nur auf das aktuelle Infektionsgeschehen zu reagieren. Der Arbeits- und Gesundheitsschutz auch für Beschäftigte von Bildungseinrichtungen muss die Maßgabe politischer Entscheidungen sein.

In politische Entscheidungen müssen Ideen und Bedarfe von Eltern, Beschäftigten, Schüler*innen und Kita-Kindern dringend einbezogen werden. Personalräte als Interessenvertretungen der Beschäftigten dürfen nicht übergangen werden.

Statements

Jenny Huschke (DGB Nordhessen, Regionsgeschäftsführerin): „Als Kitas und Schulen schlossen, begann für erwerbstätige Eltern der große Spagat. Entgeltersatzleistungen sind notwendig, jedoch zeitlich begrenzt. Eltern brauchen im kommenden „Regelbetrieb in Pandemiezeiten“ verlässliche Betreuungszeiten im regulären Umfang und inhaltliche Antworten.“

David Redelberger (GEW, Lehrer an einer weiterführenden Schule): „Wir Lehrkräfte wollen unterrichten. Wir wollen aber die demokratische Diskussion und Entscheidung zusammen mit Schüler*innen, Eltern, Schulleiter*innen und -trägern sowie Expert*innen, wie die Öffnung gut und hygienisch sicher durchgeführt werden kann. Wir wollen die gemeinsame Schulöffnung von unten statt von oben verordnet.“

Vera Reinbold (Mitglied des Personalrates der Stadt Kassel und im geschäftsführenden Vorstand der ver.di Bundesfachgruppe Sozial-, Kinder- und Jugendhilfe): „Es geht um eine akzeptable und umsetzbare Lösung für Beschäftigte, Eltern und Arbeitgeber. Das Sozialministerium macht es sich zu einfach. Es reicht nicht, Hygienepläne zu empfehlen. Wir brauchen einen Kita-Gipfel mit allen Beteiligten und Beratung durch medizinische Fachleute.“

David Bösl (Stadtschulsprecher Kassel): „Auch wenn Covid-19 so langsam aus der Öffentlichkeit verschwindet, sind die Probleme, die das Virus aufgeworfen hat noch lange nicht behoben. Gerade die Jahrgänge, die 2021 ihren Abschluss machen wollen, haben durch die Pandemie viel Stoff verpasst und ganz besonders das Problem der sozialen Ungerechtigkeit bleibt weiterhin bestehen."

Stephan Wassmuth (Vorsitzender des Bundeselternrates): „Die Coronapandemie hat in den letzten Monaten die Defizite des deutschen Bildungssystems schonungslos offengelegt. Diese Probleme lassen sich nicht in wenigen Wochen lösen, sondern bedürfen intensiver Zusammenarbeit aller Beteiligten. Erschreckend ist die Konzeptlosigkeit der Kultusministerien. Es geht nicht darum jetzt alles richtig zu machen. Aber vieles wenigstens angehen und einiges nicht falsch machen. Wir müssen Mut haben Schule neu zu denken.“

Michael Steisel (Bürgermeister Söhrewald als Vorsitzender der Bürgermeister-Kreisversammlung Kassel Land): „Der Betrieb der Kindertagesstätten wird sich auch in den nächsten Monaten an den Möglichkeiten orientieren müssen. Das bedeutet beispielsweise, dass die normalen Betreuungszeiten nicht vollumfänglich sichergestellt werden können. Mit zunehmenden Lockerungen steigt das Risiko einer Ansteckung. Deshalb muss der Appell auch an alle Erziehungsberechtigten gerichtet werden, die aufgestellten Hygieneregelungen einzuhalten.“

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