Eindämmung des Befristungsunwesens

Arbeitgeber blockiert Regelungen

Tarifinfo Hessische Hochschulen | Oktober 2018

Tarifinfo Hessische Hochschulen | Oktober 2018 

Seit der Tarifrunde 2013 mit dem Land Hessen haben die Gewerk­schaften GEW, ver.di und dbb tarifunion immer wieder das Befristungsunwesen in den Hochschulen zum Thema der Tarifverhandlungen gemacht. Die letzte Sitzung der Arbeitsgruppe fand am 10. Oktober 2018 in Wiesbaden statt. Die Arbeitgeberseite lehnte dabei die Vorschläge der Gewerkschaften zu einer beschäftigtenspezifischen Quotenregelung bei Befristungen ab - ohne selber auch nur einen einzigen alternativen Vorschlag zu machen. Die Gewerkschaften erklärten daher, dass auf dieser Grundlage eine Fortsetzung der Tarifgespräche nicht mehr sinnvoll sei.

Der von den Gewerkschaften unterbreitete Vorschlag  einer Quotenregelung sah folgende durchschnittlichen Zielmarken vor (ohne Drittmittelbereich):

Beschäftigtengruppe

Befristungsquote hessenweit

am 1.12.2017*)

Zielmarke (Vorschlag der

Gewerkschaften)

Wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen

87,40 %

75,00 %

LfbA

45,80 %

20,00 %

Beschäftigte im administrativ-technischem Bereich

16,23 %

8,20 %

*) Eigene Berechnungen, Grundlage: Daten des Statistischen Landesamtes Hessen, Beschäftigte, deren  Stellen aus Haushaltsmitteln finanziert werden, ohne Musik- und Kunsthochschulen, ohne die tarifrechtlich unabhängigen Hochschulen TU Darmstadt und Goethe-Universität Frankfurt.

Die Zielquoten sollten nach unserer Auffassung Ende 2021 erreicht werden und als wichtiger Meilenstein zum Abbau des Befristungsunwesens an hessischen Hochschulen beitragen. Festzustellen ist, dass die Befristungsquote an den hessischen TV-H-Hochschulen bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zwischen 2013 und 2017 kaum zurückgegangen ist. Die Absenkung beträgt in diesen fünf Jahren lediglich rund einen Prozentpunkt. Klar ist aber auch, dass die Befristungsanteile in dieser Personalgruppe von Hochschule zu Hochschule deutlich variieren. Zwischen derzeit etwa  82 % und über 91 %. Aufgrund der vorhandenen Daten ist abschätzbar, dass typischerweise der Anteil der Qualifikationsstellen bei den Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (ohne Drittmittelbereich) 70 % nicht überschreiten dürfte. Insofern wäre die Zielmarke von 75 % durchaus arbeitgeberfreundlich und im Bereich des Möglichen. Das gilt auch für den gewerkschaftlichen Vorschlag für die Personalgruppe der Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfbA). Hier sind die Argumente für den hohen Befristungsanteil in keiner Weise überzeugend, da sie offensichtlich Daueraufgaben leistet. Auffällig ist, dass bei dieser Gruppe die Befristungsquoten extrem unterschiedlich ausfallen: zwischen gut 25 % an der Uni Marburg und über 65 % an der Uni Kassel. Das, was in Marburg nahezu möglich ist, sollte sich doch auch hessenweit realisieren lassen. Ähnliches gilt für die Beschäftigten im administrativ-technischen Bereich: 8,2 % Befristungsquote weist die Statistik für die Universität Marburg aus.

Bei den Gesprächen am 10. Oktober ist die Arbeitgeberseite in äußerst hartnäckiger Weise einer fruchtbaren Diskussion des vorgeschlagenen Quoten-Konzeptes aus dem Weg gegangen. Ohne auch nur einen einzigen Gegenvorschlag zu machen, welche Quoten und Zeiträume das Wissenschaftsministerium für realistisch hält, wurde immer wieder darauf beharrt, dass die vorgeschlagenen Regelungen angeblich nicht zu verwirklichen seien. Ein Wille, die unterschiedlichen Interessen der Arbeitnehmer_innen und der Hochschulen in einem wie auch immer gearteten Kompromiss zu berücksichtigen, bestand offensichtlich nicht.

Darauf lief auch das immer wieder vorgetragene Argument von der Hochschulautonomie hinaus: Das Ministerium könne wegen dieser speziellen rechtlichen Gegebenheiten den Hochschulen nichts vorschreiben. Allerdings ist im Laufe des kommenden Jahres der Hochschulpakt neu zu verhandeln. Im Zusammenhang mit diesem Vertrag werden Zielvereinbarungen abgeschlossen, die zum Teil sehr genaue quantitative Vorgaben für jede einzelne Hochschule machen. Auf diesem von uns vorgeschlagenen Weg wäre es natürlich möglich, auch die Befristungsquoten im hessischen Hochschulbereich abzusenken. 

Angesichts des seit der Tarifrunde 2013 immer wieder mit dem Land diskutierten Befristungsunwesens an hessischen Hochschulen haben die Gewerkschaften den dünnen Gegenvorschlag der Arbeitgeberseite als nicht akzeptabel zurückgewiesen: Man solle, so  das Angebot, nun im Rahmen der Gespräche die verschiedenen Hochschulen einbeziehen, um zu eruieren, welche Maßnahmen gegen die hohe Zahl von Befristungen möglich seien. Erfahrungsgemäß – so etwa an der Goethe-Universität – hätten die Hochschulen bei einem solchen Vorgehen aber wiederum die relative Selbständigkeit der über die Befristungen entscheidenden Fachbereiche als Ausrede ins Feld geführt und/oder darauf hingewiesen, dass eine solche Fragestellung nur dann sinnvoll zu bearbeiten sei, wenn feststehe, welche Konditionen der nächste Hochschulpakt für den Hochschulsektor bereitstelle.

Unser Fazit zum Treffen: Der Arbeitgeber will mit den Gewerkschaften keine Regelungen zur Befristung von Arbeitsverhältnissen im Hochschulsektor vereinbaren – das war in den vergangenen Jahren im gesamten öffentlichen Dienst auch außerhalb Hessens nicht anders. Vielmehr soll die volle Flexibilität für die Arbeitgeber erhalten bleiben, ohne die Interessen der Arbeitnehmer_innen an gesicherten Berufsperspektiven auch nur im Ansatz berücksichtigen zu müssen. Dass man mit uns keine wie auch immer geartete Quotenregelung vereinbaren wolle, wurde schließlich auch deutlich ausgesprochen.

Die drei Gewerkschaften haben daraufhin einhellig erklärt, dass eine Fortsetzung der Gespräche zum Befristungsunwesen an Hochschulen zu diesem Zeitpunkt und angesichts der Blockadehaltung des Arbeitgebers keinen Sinn ergebe.

Wie geht es jetzt weiter? Das Thema Befristung ist für die Gewerkschaften nicht von dem Tisch. Wir arbeiten weiterhin auf allen Ebenen für Lösungen, um das Befristungsunwesen an den hessischen Hochschulen einzudämmen!