Entfristung an Hessens Hochschulen

Offener Brief an die hessische Landtagsfraktion von B90/DIE GRÜNEN

Initiative für gute Arbeitsbedingungen an Hessens Hochschulen (GEW Hessen, ver.di Hessen FB 05, Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft)

Die neue Landesregierung muss sich für eine Entfristungsoffensive an den hessischen Hochschulen einsetzen

Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Herr Wagner, liebe Frau Erfurth, liebe Frau Feldmayer, lieber Herr May,

wir gratulieren den hessischen GRÜNEN zum Wahlerfolg. Mit fast 20 % Stimmenanteil werden sich bessere Möglichkeiten ergeben, grüne Programmatik in Regierungshandeln zu überführen. Aus gestiegenen Einflussmöglichkeiten resultiert aber auch höhere Verantwortung.

Bereits im Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung von 2014 haben die beiden Regierungsparteien Handlungsbedarf beim Ausmaß befristeter Beschäftigungsverhältnisse im Hochschul-bereich identifiziert. Sie haben beschlossen, dass in den Bereichen, in denen Daueraufgaben anfallen, Dauerstellen geschaffen werden sollten. Die Befristungsregelungen in diesem Bereich sollten über-prüft werden. Leider hat sich in den letzten Jahren wenig an der prekären Situation der Beschäftigten an Hessens Hochschulen geändert. Die Befristungsquote des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals liegt nach Daten des statistischen Landesamts seit mehr als zehn Jahren nahezu unverändert bei etwa 93 %. Die bisherigen Maßnahmen der schwarz-grünen Landesregierung, etwa die HHG-Novelle von 2015, die regelmäßigen Zielvereinbarungen zwischen Hochschulen und HMWK oder der hessische Hochschulpakt 2016-2020, haben in diesem Bereich nicht zu Verbesserungen geführt.

Insbesondere hat die Entfristung von Stellen, auf denen Daueraufgaben erledigt werden, nicht im notwendigen Maße stattgefunden. Bei den Lehrkräften für besondere Aufgaben, die Daueraufgaben in der Lehre wahrnehmen, ist die Befristungsquote in den letzten Jahren zwar leicht zurück gegangen, liegt mit knapp 43 % aber noch immer viel zu hoch. Diese Stellen könnten aus unserer Sicht unmittelbar entfristet werden. Auch beim administrativ-technischen Personal der Hochschulen liegt die Befristungsquote nach wie vor bei über 20 %, obwohl es in der Regel Daueraufgaben wahrnimmt. An dieser Situation muss sich endlich etwas ändern. In ihrem Wahlprogramm fordern die GRÜNEN zu Recht die Begrenzung der Befristungspraxis, Dauerstellen für Daueraufgaben und einen Tarifvertrag für Hilfskräfte. Diese Forderungen, in denen wir einige Kernpunkte aus dem Templiner Manifest der GEW und den Forderungen des Netzwerks für Gute Arbeit in der Wissenschaft wiedererkennen, begrüßen wir ausdrücklich und nehmen Sie beim Wort. Jetzt müssen Taten folgen.

Seit der Tarifrunde 2013 haben die Gewerkschaften, die Hochschulleitungen und das Land Hessen Gespräche zur Befristungspraxis an hessischen Hochschulen vereinbart. Am 10. Oktober 2018 fand

die letzte Gesprächsrunde in Wiesbaden statt, bei der die Gewerkschaften den Arbeitgebern eine differenzierte Quotenregelung zur Reduktion der Befristungsquoten in den drei genannten Personal-kategorien vorgeschlagen haben. Auf Seite der Vertreter des Landes und der Hochschulleitungen war allerdings keine Bereitschaft zu erkennen, über einen Quotenvorschlag auch nur ernsthaft zu verhandeln oder einen konstruktiven Gegenvorschlag einzubringen. Wir müssen daher annehmen, dass die bisherige Landesregierung als Arbeitgeber und insbesondere das HMWK unter CDU-Leitung kein Interesse an tariflichen Regelungen zu den Befristungen im Hochschulbereich hat. Die tariflich vereinbarten Gespräche wurden abgebrochen (s. FAZ vom 26.10.2018). Wir sehen nun die zukünftige Landesregierung und insbesondere die GRÜNEN in der Pflicht, politisch auf eine deutlich spürbare Reduktion der Befristungsquoten in diesem Bereich hinzuwirken.

Wir rufen die hessischen GRÜNEN dazu auf, ihre gestiegene Gestaltungsmacht für eine Entfristungs-offensive an den hessischen Hochschulen einzusetzen. Insbesondere muss die Befristungsquote beim wissenschaftlichen und künstlerischen Personal durch eine umfassende Entfristung von Stellen, die nicht der wissenschaftlichen Qualifikation – insbesondere der Promotion – dienen, deutlich abgesenkt werden. Lehrkräfte für besondere Aufgaben und administrativ-technisch Beschäftigte müssen unmittelbar entfristet werden. Für die Frage der Befristung darf nicht die Mittelherkunft, sondern müssen die tatsächliche Dauer sowie die Art der Tätigkeit entscheidend sein. Die im kommenden Jahr anstehenden Verhandlungen für den neuen Hochschulpakt bieten zum Beispiel die Gelegenheit, über Zielvereinbarungen mit den einzelnen Hochschulen den Abbau von befristeten Beschäftigungsverhältnissen zu vereinbaren.

Weiterhin fordern wir eine Novellierung der hessischen Lehrverpflichtungsverordnung, die den Umfang der Lehrverpflichtung für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von „in der Regel 8, höchstens 18 Lehrveranstaltungsstunden“ auf 8 Lehrveranstaltungsstunden reduziert, um Arbeitgeberwillkür vorzubeugen, sowie eine deutliche Reduktion der Lehrverpflichtung für Lehrkräfte für besondere Aufgaben. Wir fordern außerdem die Stärkung der Mitbestimmung an den hessischen Hochschulen durch eine Novelle des Hessischen Personalvertretungsgesetzes, durch die Personal-und Betriebsräte endlich in die Lage versetzt werden, rechtsverbindliche Dienstvereinbarungen mit den Arbeitgebern abzuschließen, wie es in anderen Bundesländern längst üblich ist.

Da die ausufernde Befristungspraxis und die prekären Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft eng mit der Hochschulfinanzierung zusammenhängen, fordern wir nach wie vor eine substanzielle Erhöhung der Grundfinanzierung der Hochschulen und ein Ende der Drittmittelabhängigkeit.

Wir bieten der zukünftigen schwarz-grünen Landesregierung unsere Zusammenarbeit an. Für ein Gespräch stehen wir gerne zur Verfügung.

Dr. Felix Hauf, Referent für Hochschule und Forschung, GEW Hessen
im Namen der Initiative für gute Arbeitsbedingungen an Hessens Hochschulen