Gemeinsame Forderungen an die Bildungspolitik

Mehr qualifizierte Lehrkräfte gewinnen, Schule demokratisch gestalten und Bildungsgerechtigkeit herstellen!

 

Pressekonferenz 18. September 2018

Foto v.l.: Hannah Kriebel, stellvertretende Landesschulsprecherin und Maike Wiedwald, Vorsitzende GEW Hessen

Landeselternbeirat, Landesschülervertretung und die Bildungsgewerkschaft GEW stellen gemeinsame Forderungen an die Bildungspolitik 

Der Landeselternbeirat von Hessen, die Landesschülervertretung sowie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Hessen haben am Dienstag, den 18. September in Wiesbaden gemeinsame Forderungen an die Bildungspolitik vorgestellt. Die Situation an den hessischen Schulen wurde sowohl aus der Sicht der Elternschaft, wie auch aus der Perspektive der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte, übereinstimmend in vielerlei Hinsicht als desolat beschrieben. Dies gilt in erster Linie hinsichtlich des Problems von Unterrichtsausfall, der eng mit dem allgemeinen Lehrkräftemangel zusammenhängt. Dazu erklärte der Vorsitzende des Landeselternbeirats Korhan Ekinci: „Der Landeselternbeirat sieht den Unterrichtsausfall an vielen hessischen Schulen mit Sorge. Eine kürzlich eingerichtete Meldestelle beim Landeselternbeirat zur Erfassung von Unterrichtsausfall wird durch Einflussnahme einiger Schulämter auf Schulen und Schulleiter torpediert. Diese Vorgehensweise ist unlauter, macht aber deutlich, dass eine Verschleierungstaktik angewandt wird, um Zahlen über Unterrichtsausfall sowie Informationen über Hintergründe nicht preisgeben zu müssen. Eine echte Validierung wird damit unmöglich gemacht. Unsere Schulen brauchen mehr Lehrkräfte, im Sinne von echten ausgebildeten Lehrkräften mit zweitem Staatsexamen statt finanziellem Ausgleich auf dem Papier.“

Auch nach der Überzeugung der Schülerinnen und Schüler sind dringend mehr qualifizierte Lehrkräfte erforderlich. Hannah Kriebel, stellvertretende Landesschulsprecherin, äußerte sich wie folgt: „Die Landesschülervertretung hat bereits im vergangenen Schuljahr mit einer stichprobenhaften Untersuchung aufgezeigt, dass Unterrichtsausfall in Hessen weit verbreitet ist. Aber auch wenn Vertretungsunterricht stattfindet, so wird dieser oft nicht von fachlich qualifizierten Lehrerinnen und Lehrern gehalten. Es reicht aber nicht aus, wenn sich Vertretungkräfte in ihrem Fach auskennen. Sie müssen ihr Wissen auch gut den Schülerinnen und Schülern vermitteln können.“ Die Landesschülervertretung hatte am 11. April 2018 alle Schülervertretungen um eine Fotokopie des jeweiligen Vertretungsplans gebeten. An den 97 teilnehmenden Schulen sind 1.605 Unterrichtsstunden ausgefallen, in 1.547 Unterrichtsstunden fand Vertretungsunterricht statt. Hochgerechnet auf alle knapp 1.000 weiterführenden Schulen des Bundeslandes schätzte die Landesschülervertretung damals 16.480 ausgefallene Unterrichtsstunden an einem Tag.

Darüber hinaus machte sich Maike Wiedwald, Vorsitzende der GEW Hessen, für mehr politische Bildung und für demokratische Teilhabe an Schulen stark: „Schule muss von allen Beteiligten demokratisch gestaltet werden können. Dazu benötigen wir mehr Entscheidungskompetenzen für die schulischen Gremien. Demokratie zu lernen, erfordert mehr als eine Auseinandersetzung mit dem politischen System. Schülerinnen und Schüler müssen in der Schule erfahren können, wie demokratische Entscheidungsprozesse funktionieren und unmittelbar wirksam werden. Dazu gehört aber auch zu lernen, mit Meinungsunterschieden konstruktiv umzugehen und allen Mitmenschen respektvoll zu begegnen. Das ist gerade in der heutigen Zeit wichtig, in der unter anderem Rassismus und Homophopbie gezielt geschürt werden.“ Hannah Kriebel betonte den Wert der wöchentlich vorgesehenen Schülervertretungsstunde: „In jeder Woche ist eine Unterrichtsstunde für die Schülervertretung frei zu halten, was aber leider nicht überall stattfindet. Die SV-Stunde bietet eine wertvolle Möglichkeit, aktuelle Themen, welche die jeweilige Klasse oder die jeweilige Schule betreffen, gemeinsam zu besprechen und letztendlich auch Entscheidungen gemeinsam auf demokratischem Weg zu treffen. Demokratie ist die einzige Lebensform, die gelernt werden muss, sagt der Soziologe Oskar Negt. Die SV-Stunde bietet dazu Gelegenheit!“

Auch die nach wie vor bestehenden großen Chancenunterschiede beim Zugang zu Bildung sowie beim Bildungserfolg, wie sie beispielsweise der nationale Bildungsbericht 2018 aufgezeigt hat, wurden thematisiert. Unisono forderten Landesschülervertretung, Landeselternbeirat und GEW mehr Anstrengungen, um allen Schülerinnen und Schülern eine bestmögliche Bildung zu ermöglichen. Korhan Ekinci äußerte sich dazu wie folgt: „Politik muss den Rahmen schaffen, damit alle Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, unabhängig von ihrer Herkunft, dem Bildungsgrad und dem finanziellen Hintergrund des Elternhauses einen Abschluss zu erreichen. Einige Bausteine hierfür sind multiprofessionelle Teams, eine stärkere Kooperation mit der kommunalen Jugendhilfe, mehr echte Ganztagsschulen und Schulsozialarbeit. Wichtig sind aber auch entsprechende Datenerhebungen. Wie wir aus der Enquetekommission gelernt haben, sind viele Fragen aufgrund von fehlendem Datenmaterial unbeantwortet geblieben. Wie wichtig das ist, sehen wir gerade am Beispiel des Unterrichtsausfalls.“

Maike Wiedwald betonte in diesem Zusammenhang, dass kleinere Klassen erforderlich sind, um Schülerinnen und Schüler angemessen individuell fördern zu können: „Seitdem die Zahlen der Schülerinnen und Schüler an den Grundschulen ansteigen, werden auch die Klassen tendenziell wieder größer. Das gilt ganz besonders für die Klassen in den größeren Städten, die oft an oder sogar über der Klassenobergrenze liegen. In größeren Klassen ist es jedoch deutlich schwieriger, den Bedürfnissen der einzelnen Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden. Nicht zuletzt die Umsetzung der Inklusion sowie die Sprachförderung erfordern kleinere Lerngruppen. Darüber hinaus wären kleinere Klassen aber auch ein wichtiger Beitrag zur unbedingt erforderlichen Entlastung der Lehrkräfte.“ Nach den Daten des Hessischen Statistischen Landesamts ist die durchschnittliche Klassengröße an den Grundschulen seit dem Amtsantritt der schwarz-grünen Koalition von 19,5 im Schuljahr 2013/2014 auf 19,7 im vergangenen Schuljahr 2017/2018 angestiegen. Ein weiterer Anstieg ist aufgrund der nach wie vor anwachsenden Zahlen zu erwarten. Auch an den Gymnasien hat sich die Durchschnittsgröße der Klassen auf 26,5 im vergangenen Schuljahr erhöht.

Am kommenden Samstag, den 22. September 2018 ruft die GEW Hessen jeweils ab 9.45 Uhr zu zwei Demonstrationen in Kassel und Frankfurt auf. Die Demonstrationen werden von dem Landeselternbeirat, der Landesschülervertretung, dem DGB Bezirk Hessen-Thüringen sowie weiteren Organisationen unterstützt. Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Pädagoginnen und Pädagogen aus allen Bildungsbereichen wollen so gemeinsam für bessere Bedingungen für die Bildung in Kitas, Schulen und Hochschulen eintreten.