Gesetzgeber stellt sich ins Abseits

Das „Gute-Kita-Gesetz“

Das „Gute-Kita-Gesetz“ ist eine Mogelpackung. Mit dem vorliegenden Entwurf scheitert der Gesetzgeber sogar an den eigenen Erwartungen. Auch für Hessen verringern sich die Chancen für mehr Qualität an den Kitas.

Politisches Aufbauspiel par excellence: Seit Jahren fordert die GEW bundeseinheitliche Standards in Kindertageseinrichtungen nach wissenschaftlichen Empfehlungen. Zunächst mit Erfolg, denn die Forderungen beeinflussten den bundesweiten partizipativen Prozess mit Akteur_innen der Kinder- und Jugendhilfe, der schließlich in einen Bund-Länder-Bericht mündete. Daraus entstand 2017 ein vielversprechendes Eckpunkte-Papier der Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK), das als Grundlage für ein Kita-Qualitäts-Gesetz dienen sollte. Die JMFK als das entscheidende Fachgremium der Kinder-, Jugend und Familienpolitischen Minister_innen hatte den Steilpass der GEW also angenommen.

Doch kurz vor dem Tor stellen sich die Gesetzgeber nun ins selbst gewählte Abseits. Halten wir fest: Statt einer nachhaltigen und dauerhaften Finanzierung durch den Bund, wie sie in dem Eckpunktepapier der Jugend- und Familienminister_innen gefordert werden, sieht der Gesetzesentwurf nur eine Förderung bis 2022 vor. Statt 5 Milliarden jährlich sollen nun 5,5 Milliarden verteilt auf drei Jahre reichen. Und statt eines weiteren partizipativen Prozesses gibt es lediglich unverbindliche Regelungen des Einbezugs der Akteur_innen der Kinder- und Jugendhilfe. Damit präsentiert der Gesetzgeber einen Entwurf, der weit hinter eigenen Erwartungen und den Rahmen des Eckpunktepapiers der Fach-Minister_innen zurück bleibt.

Geld versickert

Die versprochene Gebührenfreiheit offenbart die größte Schwäche in der politischen Taktik der Regierung. Zwar tritt natürlich auch die GEW für die Kostenfreiheit aller Bildungseinrichtungen als wichtigem Pfeiler sozialer Familienpolitik ein. Doch was haben Kita-Gebühren in einem Gesetz verloren, bei dem es vor allem um Qualitätsverbesserungen an unseren Kitas gehen sollte?

Dazu passt, dass der Gesetzesentwurf bei der Verwendung der Gelder statt zweckgebundener Förderung lediglich Absichtserklärungen vorsieht. Mit möglichen Folgen für Hessen. Hier könnten die Gelder aus dem Gute-Kita-Gesetz in den schon von der Hessischen Landesregierung beschlossenen Einstieg in die Beitragsfreiheit fließen. Die letzte verbliebene Kraft des „Gute-Kita-Gesetz“ würde im Landeshaushalts versickern, wenn im Entwurf auf Bundesebene keine Verbesserung an einer der wichtigsten Stellschrauben stattfindet: der Fachkraft-Kind-Relation.

Personalschlüssel bleiben unbeachtet

Die Fachkraft-Kind-Relation berücksichtigt auch Zeiten für Urlaub, Krankheit und Fortbildung sowie mittelbar pädagogische Arbeit wie Elterngespräche. Sie ist aber nur eines von zehn Handlungsfeldern, die in dem vorliegenden Gesetzesentwurf benannt werden. Statt konkrete Zahlen zu nennen, bleibt der Gesetzgeber mit der Formulierung „gute Fachkraft-Kind-Schlüssel“ offenbar bewusst schwammig. Die Handlungsfelder benennt er nur kurz und überlässt es den Bundesländern, daraus frei zu wählen. So schwindet auch die Hoffnung auf, vergleichbare und bundesweit gültige Standards zu entwickeln.

Es gibt schon länger wissenschaftlich fundierte Aussagen darüber, was eine gute Fachkraft-Kind-Relation ist. Die GEW fordert seit Jahren eine bundesweit gültige Fachkraft-Kind-Relation von 1:3 bei Kindern unter drei Jahren sowie 1:8 bei Kindern zwischen drei und sechs. Und damit ist nicht Schluss: Für Fachkräfte sollen aus Sicht der GEW 25 Prozent der vereinbarten vertraglichen Arbeitszeit als mittelbare pädagogische Arbeitszeit zur Verfügung stehen (etwa für Elterngespräche). Alles Vorschläge, die dem Gesetzgeber bestens bekannt waren und die deshalb auch im Eckpunkte-Papier beachtet wurden.

Mit dem vage und unverbindlich formulierten Entwurf stellt sich der Gesetzgeber offenbar bewusst ins Abseits. Fachliche Zuspiele sind kaum möglich, wenn das Wort „pädagogisch“ in den Handlungsfeldern des Gesetzesentwurfs gar nicht vorkommt. Das ist bezeichnend dafür, welche Rolle die pädagogische Arbeit in dem Gesetz spielt. Das ursprüngliche Ziel des Gesetzes ist aus Sicht der GEW damit weit verfehlt.

Dr. Isabel Carqueville
Referentin für Weiterbildung und Sozialpädagogik bei der GEW Hessen

Info zum weiteren Gesetzgebungsprozess:

14. Dezember 2018: zweite Lesung im Bundesrat
2019: Einzelverträge zwischen Bundesregierung und den Bundesländern; rückwirkende Finanzierung ab Januar 2019 geplant