Islamischer Religions- und herkunftssprachlicher Unterricht

in der Verantwortung der türkischen Konsulate

Pressemitteilung der GEW Hessen 28. März 2017

Die GEW Hessen stellt in einem Schreiben an Kultusminister Lorz den Moscheeverband DITIB als Kooperationspartner für den islamischen Religionsunterricht in Hessen „grundsätzlich in Frage“. Die Entscheidung des Ministers, die Zusammenarbeit mit DITIB durch unabhängige Gutachter überprüfen zu lassen, sei zwar richtig, komme aber sehr spät, zumal Berichte über die Abhängigkeit der DITIB von der türkischen Religionsbehörde und über die Bespitzelung von Lehrkräften durch DITIB zuzurechnende Personen nicht neu seien.

Die GEW fordert darüber hinaus „eine gründliche Bestandsaufnahme des bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts“. Dies sei insbesondere deshalb erforderlich, weil zum Ende des laufenden Schuljahres 2016/2017 der erste Durchgang durch die Grundschule abgeschlossen wird und eine Fortsetzung in der Sekundarstufe I vorbereitet wird. Es müsse gemeinsam mit den im muslimischen Religionsunterricht eingesetzten staatlichen Lehrkräften überprüft werden, „ob die Ziele der Förderung des interreligiösen Dialogs, der Toleranz und Dialogorientierung angesichts der Realität vor Ort tatsächlich erfüllt werden können“. Birgit Koch, Vorsitzende der GEW Hessen, berichtete von „besorgniserregenden Berichten, wonach Lehrkräfte bei der Umsetzung dieser Ziele dem Druck örtlicher Moscheevereine und von Elterngruppen ausgesetzt sind, die den Lehrkräften vorwerfen, nicht den aus der jeweiligen Sicht ‚richtigen Islam‘ zu vertreten.“

Die GEW bekräftigte in diesem Zusammenhang ihre Forderung nach einem interkonfessionellen religionskundlichen Unterricht als Bestandteil eines für alle Kinder verpflichtenden Ethikunterrichts. Auch wenn der bekenntnisorientierte Religionsunterricht in der Verfassung verankert ist, müssten religiöse Toleranz und Dialogfähigkeit auch Themen im Pflichtunterricht sein. Dies gelte gerade „in Zeiten der Islamophobie und eines sich radikalisierenden Nationalismus insbesondere unter einem Teil der türkischstämmigen Eltern und Jugendlichen“.

Die GEW sieht aber auch beim herkunftssprachlichen Unterricht, der bis 1999 ausschließlich von Lehrkräften im Dienst des Landes Hessen erteilt wurde, dringenden Handlungsbedarf. Die Landesregierung unter Ministerpräsident Koch hatte entschieden, den herkunftssprachlichen Unterricht in der Verantwortung des Landes auslaufen zu lassen und ihn in die Verantwortung der jeweiligen Konsulate zu verlagern.

Vor dem Hintergrund der Entwicklungen in der Türkei erhebt die GEW die Forderung nach einer Beendigung der Zusammenarbeit mit den türkischen Konsulaten mit besonderer Dringlichkeit. In den letzten Monaten wurden dort mehr als 10.000 Lehrkräfte aus dem Staatsdienst entlassen oder vom Dienst suspendiert. Der Konsulatsunterricht ist nach Einschätzung der GEW „der Kontrolle und Einflussnahme des deutschen Staates, der Schulbehörden und der Schulleitungen vollständig entzogen“ und werde – so  Birgit Koch – „quasi exterritorial“ in hessischen Schulen durchgeführt. Die beim türkischen Staat beschäftigten Lehrkräfte könnten jederzeit abgezogen oder ausgetauscht werden und der politischen Beeinflussung seien „Tür und Tor geöffnet“. Dabei stellt die GEW die Forderung nach einer Stärkung des herkunftssprachlichen Unterrichts in der Verantwortung des Landes Hessen ausdrücklich für alle Sprachen, für den türkischen Konsulatsunterricht aber mit besonderer Dringlichkeit.