Offener Brief an das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst

Netzwerk für gute Arbeit in der Wissenschaft, ver.di und GEW

Sehr geehrte Ministerin Angela Dorn,

im März 2020 wurden die Verhandlungen zum neuen Hessischen Hochschulpakt zwischen dem Land Hessen und den 14 staatlichen Hochschulen abgeschlossen, der den Finanzrahmen für die hessischen Hochschulen von 2021-2025 festlegt. Wir nehmen es mit Freude zur Kenntnis, dass der neue Hochschulpakt mehr Gelder mit einer dauerhaften Laufzeit zur Verfügung stellt. Diese sollen laut Ministerium „auch für die Verbesserung derBeschäftigungsbedingungen [genutzt werden]”, „um den Anteil des hauptberuflichen Personals in der Lehre sowie die Zahl der unbefristeten Beschäftigungsverhältnisse für wissenschaftliches, künstlerisches und wissenschaftsnahes Personal auszubauen“ (S. 16). Der Hochschulpakt sagt ausdrücklich, dass neue Modelle für entfristete Stellen im Mittelbau entwickelt werden können: „Die Karrierewege und Personalkategorien für den akademischen Mittelbau sollen weiter profiliert werden. Hierfür können auch neue Personalkategorien erprobt werden, die den Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern sowie -künstlerinnen und -künstlern verlässliche Perspektiven eröffnen. Hierzu gehören auch unbefristete Beschäftigungsverhältnisse in Forschung, künstlerischer Praxis und Lehre neben der Professur” (S. 17). Bis Ende des Jahres verhandeln die Universitäten und Hochschulen mit Ihrem Ministerium nun die konkrete Ausgestaltung der Mittelverwendung in ihren hochschulspezifischen Zielvereinbarungen. Dort sollen „Ziele zur Weiterentwicklung der Personalstruktur” genauso festgehalten werden wie konkrete „Zielzahlen zur Erhöhung des Anteils an Dauerbeschäftigungen, der Personalkategorien und der Karrierewege” (S. 17).

Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Hochschulen sowohl äußerst nachlässig als auch völlig unambitioniert mit der Konkretisierung der beabsichtigten Verbesserung der Arbeitsbedingungen umgehen. Wir richten uns als Beschäftigte der Hochschulen seit einiger Zeit auf unterschiedlichsten Kanälen an die Präsidien und Leitungen unserer direkten Arbeitgeber vor Ort, um dem absurden Befristungsunwesen ein Ende zu setzen. Dies verfolgen wir auch weiterhin. Doch wir fordern ebenso vom Land Hessen, seinen eigenen Verlautbarungen gerecht zu werden und sich mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass es überprüfbare, konkrete und umfassende Vereinbarungen für ein Ende der systematischen Unsicherheit im Hochschulwesen gibt.

Die Zielvereinbarungen zum hessischen Hochschulpakt müssen als verbindliche Regelungen zur umfassenden Entfristung des wissenschaftlichen, technischen und administrativen Personals ausgestaltet werden!

Wir fordern: Steigerung des Anteils unbefristeter Beschäftigung im akademischen Mittelbau von etwa 15% auf 50% innerhalb von zwei Jahren. Innerhalb von fünf Jahren keine Befristung nach der Promotion, sondern dauerhafte Stellen unterhalb der Professur!

Etwa 85% Prozent der wissenschaftlich Beschäftigten jenseits der Professur und etwa 50% der Lehrkräfte für besondere Aufgaben sind in Hessen befristet angestellt. Einen erheblichen Teil ihres regulären Lehrangebots decken die Universitäten zudem über semesterweise vergebene Lehraufträge ab. Es braucht daher mehr und dauerhafte Stellen für Lehre und Forschung. Der Hessische Hochschulpakt 2021-2025 bietet die finanziellen Spielräume endlich das Ende des Befristungsunwesens anzugehen.

Wir fordern: Entfristung aller technisch-administrativen Beschäftigten mit Daueraufgaben unabhängig von der Finanzierung!

Für technische und administrative Mitarbeiter*innen gilt besonders häufig, dass sie Daueraufgaben der Hochschule wahrnehmen. Für diese Gruppe greifen Hochschulen immer öfter auf die Möglichkeit der „sachgrundlosen Befristung“ aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz zurück – das heißt nach Ablauf von 2 Jahren in der Regel die Beendigung des Arbeitsvertrags und ständige Fluktuation. Wir fordern daher endlich eine systematische Entfristung dieser Stellen, die zweifellos Daueraufgaben für die Hochschulen bewältigen.

Wir fordern: Entfristung aller Drittmittelbeschäftigten, die Daueraufgaben ausüben!

Die Hochschulen finanzieren sich zu einem erheblichen Teil aus Drittmitteln öffentlicher oder privater Institutionen. Dies sind in der Regel zeitlich begrenzte Gelder, die für bestimmte Projekte (Forschung, Studiengänge, Institute, Graduiertenkollegs) eingeworben werden. Beschäftigung aus Drittmitteln bedeutet fast immer eine zeitlich befristete Anstellung, i.d.R. bis zum Ablauf des Projektes. Drittmittelbeschaffung und -bewirtschaftung ist aber längst eine Daueraufgabe und muss daher mit unbefristet beschäftigten Kolleg*innen besetzt werden.

Wir fordern: Digitalisierung braucht zusätzliches und unbefristetes Personal!

Der Prozess der Digitalisierung kann nur mit einem kontinuierlich arbeitenden Personal gelingen. Dies gilt für alle Beschäftigte, von den administrativ-technischen, über die lehrenden und forschenden bis zu den studentischen. Die Mitarbeiter*innen, die jetzt in der Krise den Laden mit Herzblut, Innovationen und Eifer am Laufen halten, dürfen nicht in einem halben Jahr vor die Tür gesetzt werden. Wer der Digitalisierung eine Perspektive geben will, muss dem Personal eine bieten.

Wir fordern: Einen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte

Im Koalitionsvertrag steht, dass „die Arbeitsverhältnisse von studentischen Hilfskräften ähnlich zu Tarifverträgen im Bereich Krankheit, Urlaub und Vergütung” geregelt werden sollen. Im Hochschulpakt kommen die studentischen Hilfskräfte nicht vor, und somit auch nicht in den Zielvereinbarungen. Das kritisieren wir aufs Schärfste, deshalb fordern wir die Berücksichtigung von Tarifverträgen für studentische Hilfskräfte.