Zum vorgestellten Koalitionsvertrag

Einige positive Aspekte, aber der versprochene „Aufbruch im Wandel“ bleibt hinsichtlich der Bildungspolitik leider aus!

Pressemitteilung der GEW Hessen 20.12.2018

GEW Hessen zum heute von CDU und Grünen vorgestellten Koalitionsvertrag

Frankfurt (GEW): Die GEW Hessen findet nach einer ersten Sichtung des heute vorgestellten Koalitionsvertrages einige ihr wichtige Forderungen zwar benannt, durchgreifende Verbesserungen sind aber kaum zu finden. Das Programm, so die Einschätzung der GEW, ist insgesamt unambitioniert. So bleiben CDU und DIE GRÜNEN beispielsweise eine Antwort auf die zahlreichen Überlastungsanzeigen der Lehrkräfte, etwa in Form einer Arbeitszeitverkürzung, schuldig.

Birgit Koch, Vorsitzende der GEW Hessen, stellte dazu fest: „Wir finden in dem Koalitionsvertrag nur wenige Forderungen wieder, für die sich die GEW Hessen gemeinsam mit ihren Bündnispartnerinnen und Bündnispartnern auch im Landtagswahlkampf stark gemacht hat. Begrüßenswert ist etwa, dass die politische Bildung gestärkt werden soll, indem die Fächer Politik und Wirtschaft und Geschichte an den weiterführenden Schulen nicht mehr abwählbar sein sollen. Auch hören wir gerne, dass die Koalitionärinnen und Koalitionäre die skandalöse Arbeitslosigkeit von Lehrkräften in den Sommerferien zukünftig vermeiden wollen. Von den angekündigten Gesprächen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder erwarten wir, dass diese zügig und im Sinne der abhängig Beschäftigten in Hessen geführt werden. Die Tarifflucht des Landes muss beendet werden!“

Gleichzeitig wies Tony C. Schwarz, stellvertretender Vorsitzender der GEW Hessen, darauf hin, dass für das Problem des Lehrkräftemangels an Grundschulen tatkräftigere Maßnahmen erforderlich wären, als sie im Koalitionsvertrag angekündigt werden: „An den Grundschulen haben wir einen ausgeprägten Mangel an ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern. Wir brauchen daher endlich ein klares Zeichen durch eine Eingangsbesoldung nach A13, wie bei allen anderen Lehrämtern auch. Dabei geht es auch um eine Anerkennung der gestiegenen Anforderungen an die Kolleginnen und Kollegen. Leider scheut die Koalition hier ein klares Bekenntnis zu A13, sondern versteckt sich hinter den Kosten und dem Abstimmungsbedarf mit den anderen Bundesländern. Diese Hinhaltetaktik wird nicht aufgehen, zumal immer mehr Bundesländer die überfällige Gleichstellung der Grundschullehrkräfte umsetzen. Alleine die im Koalitionsvertrag angekündigte ‚Attraktivitätsoffensive‘ für mehr Wertschätzung wird nicht ausreichen.“

Im Hochschulbereich sieht die GEW Hessen eine umfassende Entfristungsoffensive als dringlichste Aufgabe der neuen Landesregierung. Karola Stötzel, stellvertretende Vorsitzende, sagte: „Erfreulich ist die Vereinbarung im neuen Koalitionsvertrag, dass Stellen für Daueraufgaben auch als Dauerstellen ausgestaltet werden und Kurzzeit- sowie Kettenbefristungen so weit wie möglich begrenzt werden sollen. Uns fehlen allerdings klare Ziele zur Entfristung und konkrete Vorgaben dazu, was als Daueraufgabe zu zählen hat. Die so genannten Lehrkräfte für besondere Aufgaben, zum Beispiel, erledigen in Wahrheit Daueraufgaben in der Lehre und müssen daher unmittelbar entfristet werden.“ Für den geplanten „Kodex für gute Arbeit“ in der Wissenschaft hat die GEW mit dem Herrschinger Kodex bereits eine konkrete Diskussionsgrundlage vorgeschlagen. Auch die geplante Verbesserung der Arbeitsbedingungen der studentischen Hilfskräfte ist zu begrüßen. Angesichts der Schnittmengen zwischen Koalitionsvertrag und GEW-Forderungen, der neuen Kräfteverhältnisse im Landtag und der Besetzung des Wissenschaftsministeriums durch DIE GRÜNEN erwartet die GEW Hessen eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine deutliche Reduktion der Befristungsquoten in Hochschule und Forschung.

Maike Wiedwald, zusammen mit Birgit Koch Vorsitzende der GEW Hessen, zeigte sich auch hinsichtlich der angekündigten Maßnahmen zum Ganztag und der Inklusion skeptisch: „Einerseits wird eine Weiterentwicklung des Pakts für den Nachmittag angekündigt, die auch gebundene und teilgebundene Modelle ermöglichen soll. Diese kommen unseren Vorstellungen von echten Ganztagsschulen zumindest näher. Andererseits sollen andere Kernprobleme anscheinend nicht angegangen werden wie die unzureichende Personalausstattung von Ganztagsschulen und die vom Pakt vorgesehenen Elternbeiträge. Die angekündigte feste Zuweisung von Förderschullehrkräften mit vollem Stundendeputat an die jeweilige allgemeine Schule ist richtig und überfällig. Allerdings war diese auch schon vor fünf Jahren im Koalitionsvertrag angekündigt worden, ohne dass das CDU-geführte Kultusministerium dies umgesetzt hat. Papier ist bekanntlich geduldig.“

Tony C. Schwarz bemängelte, dass sich die schwarz-grüne Koalition nach wie vor einer Erhebung des Investitionsstaus im Schulbereich entzieht: „Angesichts der Tatsache, dass viele Schulen in Hessen marode sind, ist das ein Skandal. Das angekündigte Investitionsprogramm unter dem Titel KIP III ist überhaupt nicht quantifiziert. Wir fordern eine dauerhafte Finanzierung der Schulbauinvestitionen, um das Problem zu beseitigen. Viel zu kleine und nach Kassenlage aufgelegte Landesprogramme sind auf Dauer keine Hilfe.“ In diesem Zusammenhang kritisierte Schwarz scharf, dass das Land dem Instrument der so genannten Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP) keine generelle Absage erteilt: „Angesichts der katastrophalen Erfahrungen des Landkreises Offenbach mit der Sanierung seiner Schulen ist das unbegreiflich. Investitionen in Form von ÖPP sind immer teurer als konventionelle Investitionen.“

Zu begrüßen ist aus Sicht der GEW die Ankündigung der Koalition, dass die Bundesmittel für den Bereich der frühkindlichen Bildung durch Mittel des Landes verdoppelt werden sollen, wobei hier die Verbesserung des Personalschlüssels zentral ist.

Die GEW Hessen wird den Koalitionsvertrag in den folgenden Tagen noch ausführlicher analysieren. Sie wird die Arbeit der Landesregierung auch in den kommenden Jahren kritisch und konstruktiv begleiten.